Thees Uhlmann schreibt für Bild und erntet Kritik von Olli Schulz

"Warum muss man seinen Fans so vor die Füße rotzen?"

Thees Uhlmann hat als Vorzeige-Indiekünstler schon öfter mit der Bild geflirtet und ihr Interviews gegeben. Die Auflage ist offenbar für viele Musiker inzwischen das wichtigste Argument. Jetzt schreibt er dort über seine Corona-Luxusprobleme und erntet dafür Hohn und Spott.

In der aktuellen Folge "Fest und Flauschig" sprechen Jan Böhmermann und Olli Schulz über den Fauxpas des ehemaligen Vorzeige-Indierockers, der vor seinem Durchbruch als Musiker auch Musikjournalist bei der Intro war.

"Ist der bescheuert oder was?" zeigt sich Böhmermann angewidert vom Beitrag, der in seiner intellektuellen Schlichtheit durchaus an das Bild-Fossil Franz-Josef Wagner erinnert. 

Auf Twitter zitierte er treffend einen von Uhlmanns Songtexten: 

Nicht ganz so gnädig geht sein (ehemaliger?) Freund Olli Schulz mit Uhlmann ins Gericht. Er wolle sich ja eigentlich gar nicht dazu äußern, weil er stinksauer sei, setzt aber dann zu einem Rant an, der es in sich hat:

"Ist eigentlich momentan alles egal? Ist es sogar scheißegal, ob du für die Bildzeitung schreibst, wo du 15 Jahre als Indiemusiker legitim gearbeitet hast? Ich verstehe es nicht, wenn man ne erfolgreiche Platte gemacht hat und wenn man bei einem Indielabel ist, das einen anderen Weg gehen will, warum man seinen Fans und allen Leuten so vor die Füße rotzen muss und die Kunst, für die man berühmt geworden ist, für die Bildzeitung nutzt. Das sind die Leute, bei denen ich meine ersten beiden Platten gemacht habe und die als Label einen anderen Weg gehen wollten und dafür wurden sie viele Jahre geschätzt. Das ist einfach eine Scheiß-Entscheidung und ich frage mich, ob da nicht vorher darüber diskutiert wurde oder ob das einfach inzwischen alles egal ist. Mich hat es richtig wütend gemacht". 

Weiter wolle er sich zu diesem Vorfall gar nicht äußern, aber man erkennt, dass der ansonsten nicht gerade zimperliche Olli Schulz es als Verrat an den Idealen seiner Kumpels empfindet, wenn man sich für das rechtskonservative Krawallblatt derart prostituiert. 

"Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun."

Max Goldt in "Der Krapfen auf dem Sims"

Vielleicht ist der "Indie"-Gedanke, der besonders durch die Hamburger Schule der 80er und 90er-Jahre geprägt wurde inzwischen wirklich tot und der Bausparvertrag für die Kinder hat Vorrang vor der Integrität als Künstler.

Viele Künstler der so genannten "alternativen Szene" nehmen heute nur noch Mainstream-Medien als relevant wahr. Egal, ob sich deren Leser auch nur einen Furz für ihre Kunst interessieren. Eine bedenkliche Entwicklung, die mit Corona ausnahmsweise nichts zu tun hat, die aber zeigt, dass die seit den frühen 80er-Jahren gewachsene Indieszene in Deutschland nicht erst seit Corona in einen existenziellen Abgrund blickt und sich für viele die einstigen vagen Hoffnungen auf eine andere, auf eine bessere Welt immer mehr verflüchtigen. Und ganz am Ende dieser Entwicklung verkauft man sich an die Bild.

Geld und Kunst passen nicht gut zusammen in der deutschen Musikszene. Scheinbar muss man sich für das ein oder andere entscheiden und nur wenigen (wie zum Beispiel Olli Schulz) gelingt diese Gratwanderung, weil sie nicht nur auf Musik, sondern auch auf andere Kanäle und Kunstformen setzen.

Die neue Generation "unabhängiger" Künstler sind heute gleichzeitig auch Influencer, Youtube-Star, Podcaster oder verdienen sich als Schauspieler oder Moderator was dazu. "Die Alten" sehen hingegen inzwischen teilweise schon ganz schön alt aus, wenn sie immer nur die alten Hits runternudeln oder solche "Kooperationen" starten, die am Ende niemandem nutzen, aber viel Glaubwürdigkeit zerstören.

Die Fantastischen Vier sind die ungeschlagenen Meister in der Disziplin des ungenierten Ausverkaufs. Aber auch die Atomstrom-Techno Kooperation der beiden Kalkbrenners, die ihren größten Hit an RWE verkauft haben, hat die Grenzen verschoben.

Für viele ernstzunehmende Künstler wird Musik immer mehr zum Nebenjob, weil die Streaming-Einnahmen kaum noch die Miete für den Proberaum zahlen. Und das wird nach dieser historischen Zäsur zweifellos noch viel dramatischer zum Vorschein treten.

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