Soundcloud Go im Test
Einstiger Vorreiter will im Streaminggeschäft mitspielen
Vor zehn Jahren startete das Startup Soundcloud in Berlin mit dem Anspruch "das Youtube für Audio" zu werden. Seit dem Start von Soundcloud stellen wir auch bei Tonspion Musik vor, die von Künstlern und Labels bei Soundcloud hochgeladen wird.
Das sind sowohl Singles aktueller Alben, als auch Musik, die exklusiv nur bei Soundcloud und nirgendwo sonst zu haben ist. Manchmal sogar kostenlose Downloads, die einfach so verschenkt werden. Jede Woche stellen wir die interessantesten neuen Tracks aus dem riesigen Soundcloud-Schallarchiv vor. Das Angebot ist riesig, doch ein Problem konnte Soundcloud bisher nicht lösen: es verdient kein Geld.
Soundcloud Go ab sofort auch in Deutschland verfügbar
Gestern startete Soundcloud Go nun auch in Deutschland und möchte künftig das alte Soundcloud mit einem kostenpflichtgen Abo ergänzen, mit dem man Zugriff auf diesselbe Musik wie bei Spotify oder Apple Music hat. Also auf den gesamten Katalog der großen Labels. Hört sich zunächst gut an, bringt aber auch einige Konflikte mit sich, wie wir in unserem ersten Test feststellen müssen.
Der Upgrade
Wie bei allen Streamingdiensten ist der erste Monat zum Testen gratis. Der Upgrade zu Soundcloud Pro geht reibungslos, man wählt ein Konto aus, gibt die Zahlungsinformationen ein, fertig. Die Kosten bewegen sich im üblichen Rahmen von 10 Euro, wobei Spotify durch seinen Family-Account inzwischen ab lausigen 2,50 Euro pro Monat zu haben ist.
Die Nutzerfreundlichkeit
Danach die Soundcloud App öffnen und staunen: es ist nichts zu finden. Weder werden einem Playlisten vorgeschlagen, noch findet sich irgendwo ein Hinweis, wo das "Go" Angebot versteckt ist.
Also hilft nur Suchen. Tippt man im Suchfenster "Radiohead" ein bekommt man ab jetzt nicht mehr nur die Songs zu hören, die Radiohead selbst auf Soundcloud hochgeladen haben (zum Beispiel ihren abgelehnte James Bond Titelsong "Spectre"), sondern auch alle Alben der Band. Allerdings in einer kruden Sortierung.
Die Startseite
Möchte man auf seiner Soundcloud-Startseite über neue Musik von Radiohead informiert werden, folgt man einfach der Band. Die Startseite sieht aus wie eine abgespeckte Version von Facebook ohne Katzencontent. Die Musik rauscht einfach so durch. Es gibt weder redaktionelle Empfehlungen, noch irgend eine Art von Produktinformation oder sonstige Anzeichen, dass man sich bei Soundcloud überhaupt für Musik interessiert.
"Hör doch, was du willst"
Hier steht das Berliner Startup Spotify in nichts nach, die außer ein paar Charts-Playlisten ihr Desinteresse fürs angebotene Produkt offen zur Schau tragen. "Hör doch was du willst" lautet denn auch der Slogan eines anderen Streaminganbieters, "uns ist es nämlich völlig egal, so lange du uns Geld gibst", könnte man im Fall von Soundcloud ergänzen.
Und hier offenbart sich ein Problem, das alle Streamingangebote gleichermaßen betrifft: Sie alle greifen auf dieselben Daten zu, wo man Musik abspielt ist für den Nutzer aber völlig gleich. Die Dienste unterscheiden sich fast nur in den Farben und der Gestaltung der Buttons. Im Fall von Soundcloud beschleicht einen zudem das Gefühl, dass man eigentlich gar keine Lust hatte, diesen Schritt zu machen, aber die Investoren und Labels endlich Gewinne sehen wollen.
Gibt es einen Grund von Spotify zu Soundcloud Go zu wechseln?
Nein, aktuell definitiv nicht. Die "Aufwertung" von Soundcloud durch den Katalog von 30 Millionen Alben-Tracks macht das Angebot eben nicht attraktiver, sondern eher unübersichtlicher. Was soll man denn eigentlich noch alles hören? Das überlässt Soundcloud den Nutzern selbst.
Und für Kuratoren (wie zum Beispiel uns) ist weder bei Soundcloud noch bei Spotify und Co. ein Platz vorgesehen. Wir könnten umgekehrt auch gar nicht auf jedem Streamingdienst kostenlos Musik zusammenstellen und Playlisten kuratieren, das würde unsere Kapazitäten schlicht sprengen.
Soundcloud Downloader: Streams zu Downloads umwandeln
Fazit: Soundcloud Go erfindet das Streaming nicht neu
Was Soundcloud eigentlich als Vorteil sieht, nämlich die eigene riesige Musikdatenbank mit von Usern hochgeladener Musik von Edits und Remixen und die Kataloge der Labels zu verknüpfen, stellte sich beim ersten Test bisher als Nachteil und riesiges Durcheinander heraus.
Soundcloud bietet seinen Nutzern keinerlei Hilfestellung an, um gute Musik zu finden.
Wer hingegen auf bestimmte DJs steht, die ihre Mixe bei Soundcloud hochladen, für den ist und bleibt Soundcloud der Streamingdienst der Wahl. Dafür braucht man aber kein Abo, muss dann aber ab sofort aber auch Werbung in Kauf nehmen. Im Gegenzug wurde das leidige Problem mit der GEMA gelöst, so dass es künftig keine Probleme beim Upload von Musik mehr geben sollte.
Wie alle anderen Streamingdienste hat auch Soundcloud Go nicht einmal mehr den Charme und die Persönlichkeit der CD-Abteilung einer Elektronikmarktkette. Es wird Zeit, dass endlich jemand den Plattenladen neu erfindet und das Kuratieren in den Vordergrund stellt und würdigt, denn Songs ohne jeglichen Kontext sind nichts weiter als wertlose Files.