Sampling: Kraftwerk vs Moses Pelham streiten vor Bundesverfassungsgericht

Verfassungsgericht soll über neue Kulturtechnik entscheiden

Der jahrelange Streit zwischen Kraftwerk und HipHop-Produzent Moses Pelham ist vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet. Das muss nun ein Grundsatzurteil über die Kulturtechnik des Samplings sprechen. 

Konkret geht es um ein Stück aus dem Jahr 1997, in dem Pelham ein 2-Sekunden-Sample von Kraftwerk für einen Track für Sabrina Setlur verwendet hat, ohne vorher zu fragen. Nach Einschätzung von Kraftwerk-Chef Ralf Hütter verstoße das gegen das siebte Gebot "Du sollst nicht stehlen". Aber in Deutschland gilt immer noch das Grundgesetz und so muss das Verfassungsgericht nun klären, ob Samples dreister Diebstahl oder eben doch Kulturtechnik sind. Wir reden hier immerhin von einem Fall aus dem vergangenen Jahrhundert. 

 

Kraftwerk vs. Moses Pelham. Streit um ein Sample geht vors Bundesverfassungsgericht.

Posted by TONSPION on Mittwoch, 25. November 2015

Das deutsche Urheberrecht ist eines der strengsten der Welt und soll Urhebern ermöglichen von ihrer Arbeit zu leben. Doch in seiner extremen Auslegung ist das Urheberrecht auch dazu geeignet, jegliche Kreativität im Keim zu ersticken und neuen Kulturtechniken einen Riegel vorzuschieben. Wer etwa als Blog ein Bild postet, hat ein hohes Risiko nach einer Abmahnung Tausende Euro zahlen zu müssen. Und auch ein Sample kann teuer werden, selbst wenn es in einem neuen Stück nur Beiwerk ist oder als Sound verwendet wird.

Das Angbot von Pelham, 17500 Euro für die Verwendung des Samples zu bezahlen lehnte Hütter jedenfalls ab. Auf die Nachfrage eines Richters, ob man damit nicht die Beatles des 21. Jahrhunderts im Keim ersticke, antwortete Hütter, dass die Beatles schließlich auch mit eigenen Kompositionen groß geworden seien. Das ist gleich in zweifacher Hinsicht fragwürdig: die Beatles haben vor 50 Jahren Musik aufgenommen. Damals gab es noch kein Sampling. Und selbstverständlich haben sich die Beatles nach Herzenslust aus dem Blues, Soul und Folk bedient und sich Teile dieser Musik zu eigen gemacht. 

Bands wie Coldplay, Jay-Z oder Black Eyed Peas hätten vorab bei ihm angefragt und dann wäre es auch kein Problem. "Bei uns ist es üblich, dass man fragt", argumentiert der ehemalige Avantgardist Hütter. Diese Bands haben alle ihre Anwälte direkt im Studio sitzen. Das kann man allerdings nicht von jedem erwarten, der Musik produziert. 

Moses Pelham argumentiert damit, dass es ohne Sampling keinen HipHop geben könne, das seine ganze Kunstform daraus entstanden sei. Allerdings hätte Pelham vor Veröffentlichung auch einfach mal einen Anwalt fragen und den Beat nachbauen lassen können, schließlich war es damals schon hinlänglich bekannt, dass man Samples, zumal von so berühmten Bands, klären lassen muss. 

Das Urteil dürfte eine grundsätzliche Weiche stellen, wie wir in Deutschland mit den neuen Kulturtechniken umgehen, ob wir sie behindern oder unter klaren Bedingungen auch einfach zulassen. Denn Rapper, die im Schlafzimmer ihre ersten Tracks am Rechner aus Samples bauen oder Blogger, die ein kleines Bild von ein paar Pixeln Größe in ihrem Blog hochladen, werden in Deutschland im Namen des Urheberrechts rechtlich verfolgt, obwohl es sich dabei auch um Kreative handelt, die Neues erschaffen. Es kann nicht sein, dass man in Deutschland erst ein Jurastudium durchlaufen oder einen Anwalt konsultieren muss, bevor man kreativ oder publizistisch tätig sein darf.

Ein Urheberrecht als Instrument, um möglichst viel Geld selbst bei winzigen Verstößen aus Kreativen herauszuquetschen, kann nicht im Sinne eines demokratischen Rechtsstaates sein. Insofern ist es an der Zeit, dass diese Fragen endlich geklärt und die Rechtssprechung fürs digitale Zeitalter aktualisiert wird, so man sich auch als Kreativer rechtssicher bewegen kann, ohne sich selbst zensieren zu müssen.

Das Urteil wird erst im nächsten Jahr erwartet. 

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