Itchy im Interview: "Es gibt kein Miteinander mehr, sondern nur noch ein Gegeneinander"

Sibbi über frischen Wind innerhalb der Band und unschöne Veränderungen weltweit

Mit "Ja als ob" haben Itchy nach 18 Jahren Punkbandgeschichte ihre achtes Album und damit auch gleich das erste in deutscher Sprache veröffentlicht. Eine einschneidende Veränderung, über die wir mit Sänger Sebastian Hafner aka Sibbi ebenso gesprochen haben, wie über die politische Weltlage und die legendären Konzertbesuche seines Großvaters. 

Hey Sibbi, “Ja als ob” ist euer erstes Album auf Deutsch, nach sieben auf Englisch. Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden? 

Sibbi: Warum nicht? (lacht) 

Anders gefragt: Hatte euer Jennifer-Rostock-Cover von "Mein Mikrofon" etwas damit zu tun?

Wir hatten vorher noch nie darüber nachgedacht, welche Sprache wir wählen sollen. Englisch war immer da und hat sich gut für uns angefühlt. Wir hatten nie das Bedürfnis, das zu ändern. Das Cover war zumindest die erste Begegnung mit der deutschen Sprache. 

Richtig, ihr seid ja Schwaben. 

Genau. (lacht) Jennifer Rostock sind Freunde von uns und hatten Jubiläum. Da haben sie uns gefragt, ob wir nicht zusammen mit anderen Bands eine Song covern könnten. Dabei haben wir gemerkt, dass es Bock macht und uns gut steht. Das Feedback darauf war auch positiv, aber wir haben es gedanklich erstmal wieder beiseite gelegt. Als wir dann angefingen, am neuen Album zu schreiben, wollten wir versuchen, mal einen deutschen Text zu machen. Wir haben aber auch sofort gesagt, dass wir es nicht machen, wenn es sich nicht authentisch, nicht gut anfühlt, denn es gab ja keinen Grund, etwas zu ändern. Dann hat es sich aber super angefühlt und war sehr schnell so, als hätten wir nie was anderes gemacht. Das bringt nach 18 Jahren natürlich auch frischen Wind rein. Dann hat es beim Songwriting so aus uns gesprudelt, dass wir fast 50 Songs hatten. 

Foto: getbackstage.de
Foto: getbackstage.de

Hat das Texten auf Deutsch inhaltlich wie emotional etwas verändert? Bekommt man in seiner Muttersprache einen anderen Zugang zu den Themen? Man ist ja womöglich weniger distanziert.

Absolut. Es verändert eigentlich alles, weil man merkt, das die englische Sprache weicher ist und man anders ans Musikalische herangehen muss. Aber auch textlich öffnen sich viele neue Türen. Man merkt schnell, dass man sich nicht mehr hinter irgendwelchen Plattitüden verstecken kann. Im Englischen kann es schon mal einen Füllersatz geben, der nicht konkret etwas anspricht. Uns waren gute Texte zwar immer wichtig, aber die deutsche Sprache verzeiht nichts. Da muss man drauf achten, dass man mit jeder Zeile irgendwas Wichtiges zum Song beiträgt. 

Klingt erstmal nach einem anspruchsvollen neuen Job quasi…

Ja, denn die Sache ist die: Wenn man nach 18 Jahren beim achten Album plötzlich auf Deutsch textet und singt, hat man nicht die Zeit, sich dorthin zu entwickeln. Man muss gleich mal eine ordentliche Qualität abliefern. Eine Band, die neu startet, kann sich erst noch finden, die kann auch das erste Album mal in den Sand setzen. Aber für uns als gestandene Band war der Druck ziemlich hoch. Und dem wollen wir ja gerecht werden. Es ist ein spannender Prozess, wenn man die eigene Musik plötzlich ganz anders wahrnimmt und über jede Zeile, jedes Wort drüber geht, um es perfekt zu machen. 

Bietet die deutsche Sprache auch grundsätzlich mehr textlichen Spielraum, lyrisch gesehen?

Man kann sich halt nicht durch Plattitüden retten, daher dauert das Songschreiben einfach länger. Wir wollten Bilder zeichnen mit der Sprache, das macht dann etwas mit dem Zuhörer. Ich kenne es ja von mir selbst: Ich gröle englische Rocksongs Jahrzehnte lang lauthals mit, ohne zu wissen, worum es darin überhaupt geht. 

Ihr habt erst vor zwei Jahren euren Namen von Itchy Poopzkid zu Itchy geändert. Wäre das nicht schon ein guter Zeitpunkt gewesen, auch die Sprache zu wechseln?

Wir sind ein bisschen wechselfreudig (lacht). Das zeigt, dass es kein Masterplan war. Den Namen haben wir von Tag eins an gehasst. Wir haben ihn uns den gegeben, das Plakat für die erste Show gedruckt. Am nächsten Tag hing das und wir dachten, dass der Name vielleicht doch nicht so geil ist. Dabei ist es dann 15 Jahre lang geblieben. Wir sind jetzt Mitte, Ende 30 und wollen noch lange Musik machen, deswegen haben wir den Namen abgelegt. Da war aber noch gar nicht absehbar, dass wir mal nicht mehr auf Englisch singen. Das hat sich später halt eher so ergeben. 

Itchy - Ja als ob

Neben dem Spaßfaktor legt ihr den Fokus auf die Vermittlung eurer politischen und gesellschaftlichen Werte. Aber ist es als Punkband heute nicht redundant, ein “FCKAFD”-Shirt zu tragen und “Nazis raus” zu rufen? Im Grunde erreicht ihr doch eh nur eure Fans, also Leute mit derselben Einstellung?

Man muss die Themen nicht anschneiden, aber wir sind ja denkende, erwachsene Menschen mit einer politischen Meinung. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, die kund zu tun. Auch wenn unsere Fans wissen, dass wir eher nicht rechts sind. (lacht) Es schadet aber auch nicht, es anzusprechen. Wir machen aber eben auch humorige Texte. Wir reden auf der Bühne mehr Quatsch als alles andere. Aber auf der anderen Seite haben wir unsere politische Meinung, und so spiegelt sich das auch in unseren Texten wider. 

Welches sind aktuelle Ängste und Sorgen, die dich vor allem persönlich beschäftigen?  

Die aktuelle Lage - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit - ist besorgniserregend. Ich sitze jetzt nicht zu Hause und habe Angst, aber ich finde es schon schlimm, wie vieles nach rechts rückt und kein Diskurs mehr stattfindet. Die eine Seite brüllt die andere an und die brüllt zurück. Es gibt kein Miteinander mehr, sondern nur noch ein Gegeneinander. Das finde ich schade, denn ich habe nicht das Gefühl, dass das wieder besser wird. Ich glaube eher, dass die Leute durch die sozialen Medien und die Anonymität dort einfach irgendwas nachplappern und rausposaunen, die Gegenseite blöd anmachen, und dadurch der Graben noch tiefer wird. Das finde ich gerade sehr schlimm. Das ist in der Spitzenpolitik weltweit so wie auch in der Facebook-Timeline. 

Wer sind also die Leute, die ihr mit eurer Musik und auf euren Konzerten erreicht? Habt ihr eine konkrete Vorstellung von eurer Zielgruppe. 

Bei Spotify gab es zum Jahresende ja so eine Auswertung, und dabei haben wir festgestellt, dass unsere Fans zwischen 16 und 36 Jahre alt sind. Es gibt Leute, die schon ewig dabei sind und welche, die neu dazu kommen. Uns ist wichtig, dass sie auf den Konzerten noch ausrasten, solange das passiert, ist alles perfekt.

Also solange sie noch nicht mit dem Rollator kommen …

Mein Opa ist 89 Jahre, der wird auch wieder auf unser Konzert in Stuttgart kommen - wie jedes Mal. Der steht dann auf der Empore im LKA Longhorn, ich sage: “Mein Opa ist wieder da” und 1500 Leute rufen “Opa, Opa, Opa!”. Er winkt dann runter wie die Queen. (lacht)

Also nehmt ihr ein Album in erster Linie auf, um wieder auf Tour gehen zu können? So rein fürs Geld macht man das ja heute nicht mehr. 

Wir können auch ohne Album auf Tour gehen, es muss schon aus uns raus kommen. Da staut sich über zwei, drei Jahre was an, und wir brauchen neuen Output. Es macht natürlich auch Bock, auf Tour neue Lieder spielen zu können, sonst wird es langweilig. Wir machen gerne neue Songs und teilen uns dadurch mit, aber live zu spielen ist natürlich das Nonplusultra. Wenn wir uns entscheiden müssten, ob wir nur noch Alben machten oder nur noch live spielen wollten, dann würden wir das Livespielen wählen. 

Hast du schon auch nur einen der deutschen Songs vor Publikum gespielt oder hast du noch keine Ahnung, wie sich das anfühlt? Ob das noch mal was mit dir oder auch den Fans macht?

Wir haben tatsächlich noch keinen deutschen Song jemals live gespielt. Wir waren jetzt im Urlaub und davor mit dem Album beschäftigt, wir haben als noch nicht einmal für die Tour geprobt. Das wird sich jetzt erst alles zeigen. Das wird wirklich spannend. Ob die Leute leiser mitsingen, oder lauter. Ob sie mehr abgehen oder ich die Texte noch mehr vergesse als sowieso schon... 

Itchy - Faust

Oktober 2023

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