"Die drei Dimensionen der Freiheit": Aufrüttelndes Manifest von Billy Bragg
Ein politischer Weckruf gegen Populismus und Politikverdrossenheit
"Wir leben in einem Zeitalter der Wut. Viele Leute haben das Gefühl, dass ihre Stimmen ignoriert werden von distanzierten Eliten, die nicht länger bereit sind, für ihre Handlungen Verantwortung zu übernehmen. Dass dies geschehen ist, war kein Versehen. Es ist die Kulmination von jahrzehntelangen Rückzugsgefechten, um die Demokratie zu neutralisieren und jene auszugrenzen, die die drei Dimensionen der Freiheit einfordern: Liberalität, Gleichheit und Verantwortlichkeit".
Diese eindringlichen wie eindrucksvollen Worte stehen auf dem Klappentext von Billy Braggs Manifest "Die drei Dimensionen der Freiheit – Ein politischer Weckruf", das im handlichen Format daherkommt und so jederzeit mit sich getragen werden kann – vielleicht zur nächsten Demo, vielleicht um Lesen in der U-Bahn, auf jeden Fall sollte man diesen Text auch sichtbar machen.
Denn neben einer hilflosen aggressiven Wut, die sich im Wählen von Populisten Luft macht, gibt es ja auch noch so etwas wie die Wut der Anderen auf den Neoliberalismus, der die Parteien aushöhlte und die Wut auf die Großkonzerne, die die Demokratie unterlaufen. Für Bragg sollte sich die Wut andere Wege der Kanalisation als den Populismus suchen und schließlich in den drei Pfeilern Liberalität, Gleichheit und Verantwortlichkeit münden. Und Gerade die Mächtigen sollten sich diese Prinzipien aneignen.
Seinem "politischen Weckruf“" hat er deshalb ein Zitat von Donald Trump vorangestellt, dass daran erinnern soll, wie Macht und Popularität ausgenutzt werden: "Wenn Du ein Star bist, lassen sie es dich machen. Du kannst alles machen". Dieser "Grab-Them-By-The-Pussy"-Satz darf nicht mit der von Bragg gefordeten Liberalität verwechselt werden, er ist die Perversion derer. Denn Liberalität geht einher mit Verantwortlichkeit und dem Prinzip der Gleichheit – sie ist laut Bragg das "Fundament der Freiheit".
Bragg steht damit in der Tradition Rosa Luxemburgs, deren berühmtes Zitat lautet: "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden". Soll heißen, jeder hat das Recht zu denken und zu reden wie er mag. Bragg führt an dieser Stelle jedoch noch die dritte wichtige Kategorie der Verantwortlichkeit ein, die daran erinnert, dass die zu recht eingeforderte Meinungsfreiheit niemals die Freiheit der anderen bedrohen darf. Sarkastisch hat er dieses Thema bereits im Song "Full English Brexit" verhandelt, in dem ein älterer Engländer sich über die vielen Ausländer im Land beklagt:
Video: Billy Bragg - Full English Brexit
Billy Bragg zeigt in seinem gut recherchierten und mit historischen Fakten unterfüttertem Buch, dass er ein hellsichtiger sowie scharfsinniger Analyst von Gesellschaft und Politik ist: Eine Stimme der Vernunft im Zeitalter der Wut. Und auch wenn er in seinem Klassiker "A New England" aus dem Jahr 1983 kein neues England sucht, sondern nur ein neues Mädchen – Bragg sucht immer noch nach Zwischenmenschlichem, nach dem Wir – auch im Zeitalter der Wut.
Video: Billy Bragg – A New England
Wer nun Feuer für die Freiheit gefangen hat, dem sei eine erste Leseprobe ans Herz gelegt und dann natürlich die Lesereise von Billy Bragg, in der eine wichtige Stimme im Pop bestimmt einiges zum Thema Politik und Populismus zu sagen hat.
▹ Billy Bragg – Die drei Dimensionen der Freiheit. Ein politischer Weckruf, Heyne Hardcore, 2020, 144 Seiten, 12,00 Euro
Und hier geht’s noch zu unserer Playlist, in der es um dem Themenkomplex Protest, Politik und Pop geht: