"Pure Vernunft darf niemals siegen" – ein Slogan, den Tocotronic schon vor zehn Jahren hätten heraus posaunen können, jedoch nicht in dieser Eleganz wie sie es heute tun. Zwar wurden die elektronischen Experimente der letzten fünf Jahre ad acta gelegt, doch bedeutet die erneute Hinwendung zur klassischen Rockmusik keinen Rückschritt. Allerdings auch keinen Schritt nach vorn. Dafür eine enorme Bewegung in die Tiefe, hin zum gekonnten Popsong, der lieb gewonnene Konventionen genauso achtet wie auch umgeht.
Video: Tocotronic - Pure Vernunft darf niemals siegen
Die dreizehn Stücke klingen insgesamt sehr viel melodiöser und ausgewogener. Grund dürfte der langjährige Tour-Keyboarder Rick Mc Phail sein, der als mittlerweile vollwertiges Bandmitglied eine zweite Gitarre in das Geschehen bringt. In nur neun Tagen wurde dieses Album als Liveband eingespielt. Keine langwierige, verkopfte Studioarbeit also.
Jene Direktheit hat eine herrlich unverbrauchte Art hervorgebracht wie man sie von Tocotronic kaum mehr erwartet hat. Auch inhaltlich schwingt Dirk von Lowtzow weniger angestrengt über den Harmonien. Damit nähert sich die Band der selbstbewussten Popdefinition von Blumfeld oder Tomte an, ohne den eigenen Charme einzubüßen oder die eigene Geschichte in Frage zu stellen. (jw)
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