Noel Gallagher ist ein genialer - und wenn das nicht, dann doch zumindest ein ungemein cleverer - Songwriter. Daran führt kein Akkord vorbei. Und "Dig Out Your Soul" ist der Beweis. Oasis haben es geschafft, ihren Sound für die Ewigkeit zu konservieren, ohne sich zu wiederholen. Ihre neuen Songs verweisen immer wieder auf die britische Pop-Tradition der Sechziger, vermengen sie mit Psychedelica der Siebziger und bieten dabei auch den Breitwandsound der Gegenwart, dessen Wucht gerade auch live beeindruckend funktioniert.
Dass sie neuerdings anscheinend auch die Remix-Kultur für sich entdeckt haben, ist eine neue Variante. Erst ließen sie es zu, dass sich die alternden Chemical Brothers mit ihrem Song "Falling Down" vergnügten und jetzt wird es geradezu skurril: angeblich weiß Noel Gallagher seinen Kollegen Devendra Banhart sehr zu schätzen. Im letzten Jahrtausend hätte dieser sich wahrscheinlich noch einen Hippie-Diss nach dem anderen aus dem Oasis-Lager eingefangen, heute darf er "(Get Off Your) High Horse Lady" zu einem spirituellen Trip remixen. Was Liam Gallagher - der ja eigentlich nur die Beatles und Oasis respektiert - davon hält, ist nicht bekannt. Er feiert derweilen lieber eine neue Leidenschaft ab: mit dem Statement "It´s not shite, it´s good. Buy it you fuckers!" promoted er gerade seine eigene Fashion-Linie Pretty Green.
Ob die Band jetzt wirklich eine längere Pause machen wird, sei dahingestellt. Mit "Dig Out Your Soul" haben sie jedenfalls bewiesen, dass sie auch rund fünfzehn Jahre nach ihrem Debüt keinesfalls zu einer Karikatur ihrer selbst verkommen wollen. Manchmal würde man sich wünschen, das hier wäre ihr letztes Album. Denn es wäre ein sehr würdiger Abgang.