Anno 2016 scheinen Genregrenzen nur noch Schall und Rauch, ein Relikt aus alten Tagen zu sein. Die Zeiten, in denen Musikjournalisten noch Schubladen brauchten, worin sie Künstler mit spezifischen Eigenschaften - "der mit der Akustikklampfe, "das Stimmwunder", "die Rocker" - hinein stecken konnten sind gezählt. "The Lines are blurry", sagt James Vincent McMorrow im Interview selbst. Und damit hat er verdammt recht.
Bester Beweis dafür, dass heute nicht mehr alles schwarz-weiß ist, liefert seine dritte Langspielplatte "We Move". Wie es der Name verspricht, bewegt sich McMorrow: weg von seichtem Singer-Songwriter-Folk, hin zum Sound-, Beat- und Rhythmusästheten. Keine Frage, auch die früheren Nummern, wie "If I Had A Boat" waren wunderschön. Aber die Hochzeit des Folk ist nun mal vorbei. Und wieso soll man sich da nicht weiterentwickeln. McMorrow tut das in erstaunlicher Art und Weise.
Schon die erste Single verriet in Ansätzen die Richtung, in die es gehen würde. Mehr Beat, mehr Tempo, eine dominantere, vollere Stimme - alles untermalt von seiner jeher bestehenden Vorliebe für tighte Hip-Hop Beats und R&B-Einflüsse. Dass er das jetzt vollends und ohne Limitierungen auslebt, ist wohl vor allem einem Mann namens Nineteen85 zu verdanken.
Der ist eine Art Haus- und Hofproduzent beim kanadischen Label OVO, das kein geringerer als R&B-Superstar Drake sein Eigen nennen darf. Für den schrieb McMorrow übrigens ein paar Zeilen für seinen Song "Hype" auf dem aktuellem Album "Views". Nineteen85 widerum darf sich für den letztjährigen Kassenschlager "Hotline Bling" verantwortlich zeichnen. Und er leistet auch bei McMorrows dritter Platte exzellente Arbeit.
Mühelos gehen hier romantisch-bis-sexy anmutende R&B-Strukturen mit dem einzigartigen Stimmorgan des Iren zusammen. Es wirkt fast so, als sei McMorrow seit 2010- seit dem Debüt "Early In The Morning" - jahrelang im falschen Musikquadranten unterwegs gewesen. Jetzt bringt er seine ausgeprägte Liebe zu Hip-Hop und wuchtigen Up-Tempo-Beats mit seiner Gabe zusammen, traumhafte Singer-Songwriter-Melodien erschaffen zu können. Und so scheinen sich zwei Gegenspieler gesucht und gefunden zu haben.
"Kanye West ist Pop. Drake ist Pop. Die Grenzen sind fließend heutzutage. Da ist fast alles was erfolgreich ist, gut gemachter Pop und nix anderes."
Mit "Rising Water" und "Get Low" wählte man weise zwei Singles, die das ganze Spektrum von "We Move" in Ansätzen abdecken. Hier eine beatgetriebene Uptempo-Nummer, da ein Soulmonster mit ganz viel Tiefe. Einer der zahlreichen Höhepunkte - jedenfalls einer der besonders heraussticht - ist "Evil". Die Handclaps, die vielen elektronischen Gadgets, Wobblebässe und der Background Chor: Alles zusammen ist einfach enorm stark produziert und fantastisch arrangiert. Zusätzliche Gänsehaut gibt es dann vor allem beim letzten Song "Lost Angles" - wahrscheinlich eine der intensivsten Pianoballaden der letzten Jahre.
Metamorphose geglückt! James Vincent McMorrow entspringt der medialen Singer-Songwriter-Schublade und stellt Ordnungsfanatiker vor eine ernsthafte Herausforderung. "We Move" - eine starke Platte mit vereinzelt noch stärkeren Songs - findet seine Berechtigung in den Jahresbestenlisten, in denen er sicherlich auftauchen wird..
"We Move" von James Vincent McMorrow erscheint am 02.09.2016 via Believe Recordings.
James Vincent McMorrow auf Tour:
24.10.2016 | Berlin-Heimathafen Neukölln
26.10.2016 | Hamburg-Mojo
27.10.2016 | Düsseldorf-New Fall Festival