Bei "Star Trek - The Next Generation" gibt es eine Folge, in der dem Androiden Commander Data ein Gefühlschip eingebaut wird. Die Folge: der menschenähnliche Roboter stürzt in ein völliges Chaos und ist nicht mehr in der Lage, klar und logisch zu denken, bis ihm am Ende alle Sicherungen durchbrennen.
Das neue Album von Daft Punk ist ein ähnliches Experiment, ihr Gefühlschip heißt "Random Access Memories" (eine Wortkombination aus dem Arbeitsspeicher eines Rechners (RAM) und den menschlichen Erinnerungen). Einer der populärsten elektronischen Acts unserer Zeit hat also das Gefühl und den "Human Touch" für sich entdeckt.
Eröffnet wird der 75-minütige Longplayer mit dem programmatischen Titel "Give Life Back To Music". Hier wird gleich klargestellt, worum es den beiden Franzosen mit ihrem neuen Album geht: Der Drummer von Michael Jacksons Album "Off The Wall" (1979) gibt den Groove vor - und die Roboter singen. Was präzise sein soll, wird von Menschen erledigt, den gefühlvollen Part, übernehmen die Roboterstimmen. So brechen Daft Punk auf "Random Access Memories" immer wieder Erwartungen.
Das melancholische "The Game Of Love" ist ein weiteres Beispiel dafür, wie seelenvoll so eine Vocoderstimme klingen kann. Auf dem dritten Track "Giorgio by Moroder" haben Daft Punk aus einem dreistündigen Interview mit der Disco-Legende Giorgio Moroder (dem Produzenten von Donna Summers "I Feel Love" und "Love To Love You Baby") Statements wie eine Collage zusammen geklebt und mit diversen Discoklängen untermalt, die mal nostalgisch und mal futuristisch klingen, eine irre Zeitreise in knapp zehn Minuten - und ein Heidenspaß! Nebenbei erfährt man aus erster Hand, wie Mitte der 70er Jahre der Munich Disco Sound entstanden ist.
"Within" mit Gonzales am Jazzpiano ist eine weitere ruhige Ballade, die nur noch ganz entfernt an Daft Punk erinnert, wir wir sie kannten. Überhaupt klingen einige Tracks viel mehr nach den Kollegen von Air in Begleitung einer schwarzen Funkband als nach Daft Punk. So auch das gefällige Softrockstück "Instant Crush" mit Julian Casablancas' (The Strokes) durch einen Vocoder geschleifter Stimme.
Erst mit "Lose Yourself To Dance" nimmt das Album wieder so richtig Fahrt auf und zeigt mit laszivem Discogroove und einer unfassbar geilen Vocal-Performance von Gastsänger Pharrell Williams, wie vielseitig und perfektionistisch die beiden Franzosen als Musiker doch sind. Diese Nummer dürfte als moderner Disco-Klassiker in die Geschichte eingehen und bildet den Ausgangs- und Höhepunkt des Albums. Zumindest, wenn man sich für zeitgemäße Tanzmusik interessiert. Die weiteren Songs bis auf die andere Pharrell-Nummer, die aktuelle Single "Get Lucky", haben mit Clubmusik nur am Rande zu tun und sind mal experimenteller Nerdkram ("Touch", "Contact"), mal verspielter Space-Rock ("Beyond", "Motherboard", "Doing it Right").
Daft Punk scheren sich bei ihrer Arbeit (mit Ausnahme der beiden eingängigen Songs mit Pharrell Williams) kein bisschen um den Massengeschmack. Sie erfinden aber auch das musikalische Rad nicht neu. Sie folgen einfach ihrer Leidenschaft, Musik von gestern und morgen zusammenzuführen. "Random Access Memories" ist ein echtes Musikeralbum geworden, ein Album, das Musikern auf der ganzen Welt ganz große Ohren machen und einige Zeit beschäftigen wird. Die besten Studiomusiker der Welt wurden engagiert, um dieses Werk einzuspielen, lediglich ein Vocoder und ein alter Synthesizer kamen zum Einsatz. Ansonsten wurde weitgehend live improvisiert und so artet das Ganze nicht selten zur langen, manchmal etwas zu langen Jam-Session aus und verwirrt mit seiner teilweise fast nostalgischen Anmutung die Hörer, die sich von Daft Punk vor allem elektronischen Futurismus erwarten.
Data würden beim Hören dieses Albums vermutlich mehr als einmal die Sicherungen durchbrennen. Nicht auszudenken, dieses Monstrum von einem Album live gespielt zu erleben, aber leider planen Daft Punk derzeit keine Tour. Auch da bleiben sie sich treu und entziehen sich einmal mehr den üblichen Regeln des Musikgeschäfts.
"Random Access Memories" erscheint am 17. Mai 2013 und ist ab sofort bei iTunes zu hören.
Lest hier, was Daft Punk selbst über ihr Album sagen
Hört hier, was die Kollaborateure von Daft Punk über ihren Beitrag zum Album erzählen.