Als wollten sie ihr neues Album tatsächlich mit grellem Graffiti besprühen, beginnen Chvrches mit dem Opener "Graffiti" und gnadenlos mainstreamigem Pop mit Synthie-Einlagen nahe an der Kitsch-Grenze. Schon die erste Single "Get Out" wies in diese Richtung, hatte jedoch mit unterschwellig düsteren Elektro-Klängen noch etwas Doppelbödiges an sich. Wir sind schon noch ein bisschen Indie, Leute, schien dies sagen zu wollen – wobei das Trio zugleich ankündigte, das neue Album werde geradezu "aggressiv poppig".
Video: Miracle
Ihrer Ankündigung lassen Chvrches auf "Love Is Dead" dann auch Tatsachen folgen: Ein Album voller Songs, die wie mit dem Holzhammer auf den Hörer eindreschen und mit immer denselben Schwarz-Weiß-Kategorien operieren – Es gibt in dieser dauerdudelnden Radiohitwelt eben nur "light" oder "dark", "heaven" und "hell" oder "never" und "forever", für Schattierungen ist kein Platz. Ja, Chvrches agieren geradezu aggressiv poppig und das Ergebnis ist folgerichtig schmerzhaft bis nervig.
Es gibt allerdings ein paar Hoffnungsschimmer: "God’s Plan", in dem Martin Doherty die Leadvocals übernimmt, ist ein eindringliches Synthiebrett und "Really Gone" ein schönes repetetives minimalistisches Lied, das in das gespenstische instrumentale "ii" übergeht. Auch das Duett "My Enemy" mit Matt Berninger sticht aus dem Kommerzsumpf heraus, es wirkt als versuche der The National-Frontman immer wieder subtil an Lauren Mayberrys Pop-Weltherrschaftsanspruch anzusingen, was sie damit beantwortet, er könne ihr Feind, Richter oder Gegenmittel sein.
Hätten sie ihm doch nur besser zugehört: So kleistert "Love Is Dead" mit dickem Pinsel alles zu, was Chvrches eigenständigen Synth-Pop bislang ausmachte und betritt das Reich des Mittelmaßes und Austauschbarkeit.
Chvrches Live 2018
22.-24.06: Hurricane- & Southside Festival