Reportage: Zu Besuch bei Lettlands Pophoffnung Carnival Youth in Riga
So muss das damals bei dem großen Boyband-Hype gewesen sein
Die Kulisse hätte man sich nicht schöner ausmalen können: Eine Schlossruine mitten in einem endlos scheinenden Nationalpark. Eine Seilbahn verbindet das eine mit dem anderen Ende – mit bloßem Auge fällt es schwer das jeweils andere Ende zu erkennnen – darunter 200 Meter steiler Abgrund. Es wird einem schon ein bisschen mulmig, blickt man über die Täler und Schluchten.
In der Ferne sieht man Riesenräder, auf deren Zenit man einen fantastischen Blick und einen großartigen Einblick in das Ausmaß dieser Natür belassenen Region 35 Kilometer südlich von Riga haben muss.
In Scharen verlassen an einem Wochenende im August Tausende Menschen ihre Häuser und strömen in genau diesen Nationalpark nach Sigulda. Teenies, Kinder mit ihren Eltern, Mehrgenerationen-Banden von Enkelkind bis Uronkel ist alterstechnisch alles vertreten, das man sich ausmalen kann. Und man fragt sich: Welches generationenüberspannende Ereignis lockt Menschen aller colour aus ihren vier Wänden um den mühsamen Weg in einen Ort abseits jeglicher Zivilisation auf sich zu nehmen.
Das sie das in ihrer Heimat schon sind, das wird am Konzerttag schnell klar. Es gibt niemanden, der nichts mit dem Namen anfangen kann. Und dass das hier noch nicht so ist, liegt wohl eher daran, dass Lettland als Musikexportland noch an der Peripherie des eigenen Radars liegt.
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Carnival Youth schicken sich an das mit einem stilsicheren Mix aus der Vertracktheit von Bands wie Arcade Fire oder Radiohead sowie einer The Kooks'chen Unbedarftheit zu ändern. Ihr Debütalbum „No Clouds Allowed“ wurde 2014 auf Anhieb zum besten Debütalbum in ihrer Heimat gewählt. Oben drauf gab es den European Border Breakers Award (EBBA) sowie den EBBA Public Choice Award
Dass Robert Vanags (keys/voc), Edgar Kaupers (gui/voc), Emīls Kaupers (drums, vocals) und Aleksis Luriņš (guitar, bass) nicht erst seit Vorgestern zusammenspielen, wird innerhalb ihres epischen zweieinhalb Stunden Sets schnell klar. Die Abläufe sich eingespielt, Mimik und Gestik auf die frenetisch jubelnden Teenies fokussiert und das wird dankend angenommen. Carnival Youth spielen sich so zielsicher durch ihre drei Alben - wovon eins auch komplett in lettischer Sprache ist - dass es einem ob ihres doch noch jugendlichen Alters kurz Angst und Bange werden kann, was da vielleicht noch kommen mag.
Im Anschluss an das Konzert hatten 40 Auserwählte - vorwiegend Mädchen zwischen zwölf und 18 - die Ehre, ihre persönlichen Heroes live in Farbe und zum Anfassen aus der Nähe zu betrachten, Selfies zu machen und kurz eins, zwei Worte mit ihnen zu wechseln. So muss das damals in den 90ern und 2000ern mit dem ganzen Boyband-Hype also gewesen sein.
Ihr neues Album soll Anfang 2019 erscheinen, erste Songs sind aber natürlich schon lange im Kasten. Deshalb macht es Sinn die schon mal auf einer jetzt anstehenden Europa-Tour zu „roadchecken“.
TONSPION präsentiert Carnival Youth in Deutschland und empfiehlt euch Lettlands nächsten Wurf jetzt schon mal auf dem Schirm zu haben.
19.04. Dresden, “Polimagie” Festival
23.04. Hamburg, Nochtspeicher
25.04. Berlin, FluxFM Bergfest
26.04. München, Substanz
05.05. Hannover, Bei Chez Heinz
06.05. Köln, Die Hängenden Gärten von Ehrenfeld
07.05. Stuttgart, White Noise