Miserable Monday: Playlist von Maple Glider
Die Playlist zum schlimmsten Tag der Woche
Die australische Songwriterin Maple Glider veröffentlicht diesen Freitag (25.06.21) das Album „To Enjoy Is The Only Thing“ auf Partisan Records.
Mit reduzierter Instrumentierung, gehauchten Vocals und emotionalen Texten spielt sich die Musikerin, die im echten Leben Tori Zietsch heißt, auf ihrem Debüt die Last der letzten Jahre von den Schultern. Die ersten Songs entstanden schon 2018 auf einer Nordindienreise, die sie zusammen mit ihrem damaligen Freund startete, aber ohne ihren mittlerweile Ex-Freund beendete.
„Ich bin in einen großen Pool der Selbstreflexion gefallen und habe einen Haufen Songs geschrieben. Viele davon hatten mit der Verarbeitung meiner Erfahrungen als religiös erzogenes Kind und den Jahren zu tun, die ich damit verbracht habe, das aus meiner Identität zu entfernen. Aber viele handelten auch von Liebe und Beziehungen: das Ende, die Mitte und die Verwirrung dazwischen.“
Insgesamt sind es neun Songs, die sie mit ihrem Produzenten Tom Iansek aufgenommen hat und die alle eine besondere Wärme und wunderschöne Getragenheit an sich haben. Beim Hören denkt man zwangsläufig an große Künstlerinnen wie Laura Marling, die ebenfalls bei Partisan zuhause ist, und mit der es Maple Glider zweifelsfrei musikalisch aufnehmen kann.
„To Enjoy Is The Only Thing“ ist wahrscheinlich kein typischer Sommerrelease. Eigentlich bräuchte man einen verregneten Herbst-Sonntag, den man sich melancholisch von dieser Platte untermalen lassen kann. Liebhaber:innen ernsthafter Popmusik finden aber auch bei Temperaturen über 25°C sehr große Freude an diesem wunderschönen Album. I promise!
DIE PLAYLIST
Gabriella Cohen - Miserable Baby
Ich liebe Gabriella Cohen! Die beiden Alben, die sie veröffentlicht hat, sind großartig und sie live zu sehen ist ein absolutes Vergnügen. Sie balanciert Melancholie und Frechheit sehr gut aus und ihr Songwriting hat ein unglaublich sentimentales Gefühl. Ich respektiere auch ihre Herangehensweise an die Musikindustrie - sie ist eine sehr produktive Autorin und ihre Liebe zum Handwerk des Plattenmachens ist sehr inspirierend. Ich weiß, dass sie gerade an ihrer dritten Platte arbeitet, ich kann es kaum erwarten, sie zu hören.
Spike Fuck - Guts
Ich bin so voller Ehrfurcht vor Spike Fuck. Die Smackwave EP ist so allumfassend, so brutal ehrlich und echt. Ich habe sie zum ersten Mal auf Vinyl gehört, als ich bei einem Freund zum Abendessen war. Ich war so gebannt vom Zuhören, dass ich mich kaum unterhalten konnte.
Juice Webster - Stupid Girl
Als ich Juice diesen Song zum ersten Mal live spielen hörte, habe ich mir die Augen ausgeweint. Sie veröffentlichte Anfang des Jahres ein atemberaubendes Video und eine Aufnahme dieses Songs. Jedes Mal, wenn ich ihn höre, bekomme ich eine Gänsehaut, denn ich war schon so oft in der Situation, die sie beschreibt, in der sie sich befand. Ich habe keinen Zweifel daran, dass viele Leute diesen Song auch extrem nachvollziehbar finden werden.
Nina Simone - Images (Live in New York, 1964)
Nina Simone ist eine so kraftvolle Performerin. Dies ist eine Interpretation eines Gedichtes, ich habe es zum ersten Mal vor kurzem spät in der Nacht in meinem Schlafzimmer gehört, als ich mich durch Archive ihrer Auftritte hörte. Nichts anderes begleitet ihre Stimme. Das ist auch gar nicht nötig. Ihre Stimme allein ist unglaublich bewegend.
Vashti Bunyan - If I were
Das Arrangement dieses Songs ist atemberaubend - die Streicher sind so schön. Ich mag die Kürze des Songs, er fühlt sich sehr durchdacht und überlegt an, und ich kann mich sehr gut mit dieser Idee der Fehlkommunikation zwischen zwei Menschen, die sich lieben, identifizieren. Das ist eine Faszination, über die viele von uns schreiben.
Kelsey Lu - Morning Dew
Kelsey Lu ist absolut eine meiner Lieblingskünstlerinnen. Ihre Komposition, ihre Performance und ihre Visuals - es ist so einfach, in die Welt einzutauchen, die sie geschaffen hat. Ich glaube, wir sind auch in der gleichen Religion aufgewachsen, wodurch ich mich sehr verbunden fühle. Ich habe jetzt einige Leute getroffen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und ich finde es sehr interessant zu beobachten, wie sich das in ihrer Kunst niederschlägt. Dieser Song ist ein Meisterwerk. Ich liebe es.
#1 Dads - Run
Tom Iansek ist einer der besten Musiker und Produzenten überhaupt. Ich hatte so ein unglaubliches Glück, dass er mein Debütalbum produziert hat. Ich hätte es mir wirklich nicht anders wünschen können. Sein neuestes Solo-Album "Golden Repair" wurde letztes Jahr veröffentlicht. Dieser Song trifft mich mitten ins Herz. Ich fühle so viel Schmerz und Verlust und Wachstum in den Texten.
Vagabon - Every Woman
Dies ist ein so kraftvoller Song. Der letzte Satz "And we're steady while holding you all" ist großartig. Laetitia Tamko hat so ziemlich alles, was sie geschrieben, arrangiert und produziert hat, selbst gemacht. Es gibt eine großartige Song Exploder-Episode über einen anderen ihrer Songs, "Water Me Down", der vom selben Album stammt und den ich sehr empfehlen würde, anzuhören :)
Haley Heynderickx - No Face
Haley's Songwriting ist so großartig. Die Lyrik "Face me, face me entirely" ist so stark. Ihre Lieder fühlen sich so persönlich an. Diese Aufnahme gibt mir das Gefühl, ich könnte mit ihr im Raum sein. Ich würde sie wirklich gerne mal live sehen. Sie hat noch einen anderen Song, in dem sie über jemanden singt, der glaubt, dass die Gottesanbeterin in seiner Badewanne ein Priester aus einem vergangenen Leben ist, der es auf ihn abgesehen hat, und der ist auch sehr gut.
Angie Mcmahon - If You Call
Angie ist ein wunderbarer Mensch, und ihre Persönlichkeit ist in ihren Songs so präsent. Ihr Album "Salt" hat mich durch meine letzte Trennung gebracht.
Die Eröffnungszeile dieses Songs "I'm putting down the habit, the habit of looking back on all of it and wishing I had done better" zieht mich wirklich sofort in das Gefühl des Songs hinein. Es ist der letzte Song des Albums, und nachdem ich die ganze LP durchgehört habe, fühlt es sich einfach so hoffnungsvoll und voll und rund und vollständig an, mit diesem Song zu enden.
Ich denke, es wäre schwierig, jemanden zu finden, der nicht irgendeine Art von Verbindung mit ihrer Musik fühlt. Es ist ein Geschenk für diese Welt.
Der Autor:
Ich bin Martin, 32 Jahre alt, wohne in Leipzig. Ich bin Musiker, Musiknerd, Radiomacher, ehemals Bookingagent und Tourmanager. Hier streue ich alles, was mich musikalisch beschäftigt. Alt und neu, Indie, Shoegaze, Folk, Dreampop, Electronica. Einzige Bedingung - traurig muss es sein. Warum? Weil der eine Song, den alle zu düster finden, genau der ist, der mein Leben erhellt.
Zu den regelmäßigen Künstlerfeatures produziere ich einen Musikpodcast mit bis zu vier Folgen pro Monat. Den aktuellen Podcast findet ihr hier zum Nachhören: www.mixcloud.com/Miserable_Monday