Interview: Morrissey spricht über The Cure, Rassismusvorwürfe und rechte Politik

Holt die Bullshit-Bingo-Zettel raus...

Der Wahnsinn geht weiter. In einem neuen Interview spricht Morrissey über seine politische Ausrichtung und die anhaltenden Rassismusvorwürfe gegen seine Person. Erwartungsgemäß kam dabei wieder eine ganze Reihe kontroverser Aussagen zu Stande. Wir haben die "wichtigsten" Stellen für euch zusammengefasst. 

(Credit: Monika Stolarska)

Es darf wieder mit den Augen gerollt werden. Morrissey hat sich in einem neuen Interview zu den Vorwürfen der vergangenen Wochen und Monate geäußert und spricht darin unter anderem über seine politische Ausrichtung, The Cures Robert Smith und die angebliche Gefahr, die vom britischen Guardian ausgeht. Und wie stellt man sicher, dass ein solches "Klarstellungs"-Interviews möglichst unabhängig und unvoreingenommen abläuft.

Man veröffentlicht es auf seiner eigenen Website und lässt sich von seinem Neffen Sam Esty Rayner interviewen. Wenn dieser das Gespräch dann auch noch mit dem Satz "Ich wollte dich selbst interviewen, weil ich es absolut satt habe, schreckliche Dinge über dich in der britischen Presse zu lesen" beginnt, weiß man eigentlich auch, wo die Reise hingeht. 

"Das ist keine journalistische Meinung mehr, sondern schlichtweg Hass."

Die öffentliche Kritik an Morrisseys Aussagen und seiner medienwirksamen Unterstützung der "For Britain"-Partei scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, denn Rayner möchte zunächst wissen, weshalb Morrissey bisher davon abgesehen hat, den britischen Guardian zu verklagen. Die einfache Antwort:

"Als sogenannter Entertainer habe ich - anscheinend - keinerlei Menschenrecht. Weil ich mich bewusst in die Öffentlichkeit begebe. Wäre ich ein Postbote, hätte ich mit einer Belästigungsklage gegen den Guardian gewonnen und mittlerweile 10 Millionen Pfund Schadensersatz bekommen. [...] Der Guardian hat Musiker in meinem Umfeld belästigt und wollte sie dazu bewegen, nie wieder mit mir zusammenzuarbeiten. Das ist keine journalistische Meinung mehr, sondern schlichtweg Hass. Mit dem Ziel, mich zu einem öffentlichen Ziel zu machen.

In Zeiten von Messerangriffen und Säureattacken würde man davon ausgehen, dass der Guardian eine gewisse vorsichtige Moral beibehält. Aber nein. Hätte ich durch die Tyrannei des Guardian direkten Schaden genommen, hätte man die Jubelschreie und Champagnerkorken durch ihr Büro hallen gehört - das lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Der Guardian hält sich für eine politische Partei."

- Messages From Morrissey Interview / frei übersetzt

Doch wie sieht es denn nun tatsächlich mit Morrisseys politischer Gesinnung aus? Auch diese Frage möchte Rayner klären, nicht ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass er in 35 Jahren noch nie einen "kontroversen Ausbruch" seitens Morrissey erlebt hätte, obwohl ihm dieser ja ständig von den Medien vorgeworfen wird. Auf die einfache Frage, ob M. ein Unterstützer der rechtspopulistischen UKIP-Partei wäre, gibt es eine ebenso einfache Antwort: "Nein. Niemals". 

"Am Ende bevorzugt jeder seine eigene Rasse - macht uns das alle zu Rassisten?"

Anders sieht es hingehen bei Brexit-Anführer Nigel Farage und der "For Britain"-Partei aus. Er sei zwar kein direkter Unterstützer von Farage, halte ihn aber für einen guten Premierminister, wobei eh niemand mehr wirklich wisse, was ein "guter Premierminister" überhaupt ist. Auf die Frage, ob er die "For Britain"-Partei unterstützt, gibt es die deutliche Antwort: "Ja, absolut". Aber warum?

"Ich glaube Anne Marie Waters ist die einzige britische Parteivorsitzende, die die Linke und Rechte vereinen kann. Ich kenne keinen anderen Parteivorsitzenden, der das überhaupt möchte. Großbritannien ist momentan ein gefährlich hasserfüllter Ort und ich denke wir brauchen jemanden, der diesem Wahnsinn ein Ende bereitet und für alle spricht. Ich sehe Anne Marie Waters as this person. Sie ist exrem intelligent, diesem Land treu ergeben, sie ist sehr einnehmend und manchmal auch sehr lustig."

- Messages From Morrissey Interview / frei übersetzt

(Credit: Samuel Gehrke)

Ein wichtiges Thema dürften natürlich auch die anhaltenden Rassismusvorwürfe gegenüber Morrissey sein. Statt diese tatsächlich zu entkräften, versucht er jedoch den Rassismusbegriff als solchen ins Lächerliche zu ziehen. 

"[...] wenn du im modernen Großbritannien jemanden einen Rassist nennst, zeigst du ihm nur, dass dir die Worte ausgehen. Du beendest die Debatte und rennst davon. Der Begriff ist heutzutage wertlos. Am Ende bevorzugt jeder seine eigene Rasse - macht uns das alle zu Rassisten? Die Leute, die jede Unterhaltung auf Rassismus beziehen könnte man als die traditionellsten 'Rassisten' bezeichnen. Im Leben geht es NICHT immer nur um Rasse, warum lässt man es dann so aussehen? [...] Wenn Grenzen so eine schlechte Sache sind, wieso wurden sie dann überhaupt jemals gezogen? Grenzen schaffen Ordnung." 

- Messages From Morrissey Interview / frei übersetzt

Fest steht also, dass auch Morrisseys neueste Aussagen ihren Platz im "verwirrter alter Mann"-Konstrukt der vergangenen Monate eingenommen haben. Wer sich tatsächlich durch das gesamte Interview quälen möchte, ist nun zumindest ausreichend vorgewarnt. Morrisseys Wahnsinn würde wohl nicht so sehr schmerzen, müsste man nicht durchgängig an die großen Zeiten der Smiths denken und sich zudem eingestehen, dass der 60-Jährige bis heute wahnsinnig gute Musik veröffentlicht. Zuletzt hat er das im Mai 2019 mit seinem neuen Album "California Son" eindrucksvoll unter Beweis gestellt. 

Und um diesen Artikel auf gutem Fuße abzuschließen, widmen wir uns noch einem der wenigen positiven Highlights des Interviews. Denn ein bisschen Rest-Charakter scheint auch im Fall von Morrissey noch übrig zu sein. Auf die Frage, ob er Dinge in seinem Leben bereut, kommt er kurzerhand auf Robert Smith von The Cure zu sprechen. 

"Robert Smith. Ich habe vor 35 Jahren furchtbare Dinge über ihn gesagt, die ich nicht so gemeint habe. Ich war einfach sehr 'Garage Hill'. Es ist toll, wenn man alles auf das Tourette Syndrom schieben kann. [...] Vor vielleicht zehn Jahren war ich in einem Pub beim Buckingham Palace - und er auch. Er hat ziemlich konfrontativ zu mir geschaut. Ich übernehme keine moralische Verantwortung für Dinge, die ich 1983 gesagt habe - wer würde das tun?"

- Messages From Morrissey Interview / frei übersetzt

Morrissey bezeichnete den Cure-Frontmann einst als Heulsuse und Nervensäge und warf seiner Band vor, dem Begriff "Scheiße" eine völlig neue Bedeutung zu geben. Dass die halbherzige Entschuldigung nach all den Jahren einen tatsächlichen Effekt haben wird, wagen wir zu bezweifeln. Dass Morrissey diesen überhaupt erreichen wollte, umso mehr. 

▶ SPIEGEL veröffentlicht Audiodatei von Interview mit Morrissey 

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